Metakognitives Coaching
- Thorsten Wirth

- 30. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
Ein neuer Schlüssel im integrativen Coaching-Ansatz
Viele Coachingprozesse scheitern nicht an einem Mangel an Wissen oder Motivation, sondern an der Art und Weise, wie Menschen über ihr Denken und Handeln reflektieren. Genau hier setzt das metakognitive Coaching an – ein Ansatz, der Denkprozesse selbst in den Mittelpunkt stellt. In Kombination mit integrativem Coaching eröffnet sich ein kraftvolles Instrumentarium, um nachhaltige Veränderungen im Denken, Fühlen und Handeln zu ermöglichen.
In diesem Beitrag erfährst du:
Was metakognitives Coaching ist
Wie es sich vom klassischen Coaching unterscheidet
Wie es im Rahmen eines integrativen Coaching-Ansatzes eingesetzt werden kann
Fallbeispiele und konkrete Interventionen

Was ist metakognitives Coaching?
Der Begriff „Metakognition“ bedeutet wörtlich „über das Denken nachdenken“. In der Psychologie beschreibt Metakognition die Fähigkeit, die eigenen kognitiven Prozesse zu beobachten, zu steuern und zu regulieren – also etwa zu bemerken, dass man sich gerade in Grübeleien verliert oder ineffektiv plant.
Metakognitives Coaching nutzt diese Perspektive und zielt darauf ab, Klienten dabei zu unterstützen, ihr eigenes Denken besser zu verstehen und gezielter zu beeinflussen. Der Fokus liegt auf Fragen wie:
Wie denke ich über meine Gedanken?
Welche Denkmuster hindern mich daran, Ziele zu erreichen?
Wie gehe ich mit Unsicherheit, Zweifeln oder Entscheidungskonflikten um?
Im Gegensatz zu inhaltsbezogenem Coaching (z. B. Karriereplanung oder Konfliktlösung), geht es beim metakognitiven Coaching primär um die Form und Struktur des Denkens.
Integratives Coaching: Ein kurzer Überblick
Integratives Coaching bezeichnet einen methodenübergreifenden Ansatz, der je nach Bedarf verschiedene psychologische Modelle, Tools und Interventionen kombiniert. Dazu zählen:
Systemisches Coaching
Lösungsfokussiertes Coaching
Kognitiv-behaviorale Ansätze
Achtsamkeit und embodiment-basierte Methoden
Positive Psychologie
Durch die Integration des metakognitiven Coachings erweitert sich dieses Repertoire um eine mächtige Ebene der Selbstreflexion und Selbststeuerung.
Warum metakognitives Coaching sinnvoll ist: Ein Fallbeispiel
Fall: Lisa – Die chronische Selbstzweiflerin
Lisa ist 36 Jahre alt, Teamleiterin in einem mittelständischen Unternehmen. Im Coaching geht es um die Frage, ob sie sich auf eine Führungsposition in der nächsten Hierarchiestufe bewerben soll. Obwohl sie von Kolleg:innen gelobt wird und die fachlichen Anforderungen erfüllt, blockiert sie sich selbst. Sie beschreibt sich als „verkopft“, zweifelnd, zögerlich.
Im Coaching-Gespräch wird deutlich: Lisa denkt nicht nur über das Thema „Karriereentwicklung“ nach – sie denkt über ihr Denken nach. Sätze wie:
„Ich denke zu viel nach – das nervt mich.“ „Ich frage mich, warum ich nie zu einer Entscheidung komme.“ „Vielleicht bin ich einfach zu unsicher.“
Diese Sätze zeigen ein metakognitives Problem: Sie hat dysfunktionale Einstellungen zu ihren eigenen Gedanken. Das Denken wird zur Belastung – nicht der Inhalt, sondern die Art des Denkens.
Metakognitive Interventionen im Coachingprozess
**1. Metakognitive Bewusstheit fördern
Ziel: Die Klientin erkennt, wie sie über ihre Gedanken denkt und wie diese Metakognitionen ihr Verhalten beeinflussen.
Intervention: Gedankenprotokoll
„Nehmen Sie sich täglich fünf Minuten und schreiben Sie Ihre Gedanken zu einer wiederkehrenden Herausforderung auf. Notieren Sie dann: a) Was denke ich? b) Wie denke ich darüber? c) Was mache ich dann?“
Lisa erkennt z. B., dass sie bei jedem Gedanken an die Bewerbung sofort an potenzielles Scheitern denkt – und dann in Gedankenschleifen gerät, die sie lähmen.
2. Metakognitive Regeln hinterfragen
Viele Menschen folgen unbewusst Regeln wie:
„Wenn ich nicht zu 100 % sicher bin, darf ich keine Entscheidung treffen.“„Ich muss alle Eventualitäten durchdenken, bevor ich handle.“
Coaching-Intervention: Kognitive Umstrukturierung Coach und Klientin analysieren diese inneren Regeln. Der Coach fragt:
„Woher kommt diese Regel?“
„Was sind die Kosten dieses Denkstils?“
„Gibt es Beispiele, wo es auch ohne perfekte Sicherheit gut lief?“
Lisa erkennt: Ihre Regel „Ich darf nur handeln, wenn ich mir völlig sicher bin“ ist unrealistisch und behindert sie. Im Gespräch entwickelt sie eine neue metakognitive Regel:
„Ich darf Entscheidungen auch treffen, wenn ein Restrisiko bleibt.“
3. Grübelstopps und mentale Entkopplung
Wenn Grübelschleifen ein zentrales Problem sind, kann gezielt daran gearbeitet werden, sich von belastenden Denkprozessen zu entkoppeln.
Intervention: Grübelstopp durch Achtsamkeit Lisa lernt eine 3-Minuten-Achtsamkeitspraxis zur Selbstunterbrechung:
Wahrnehmen: Was denke ich gerade?
Benennen: Ah, das ist wieder die Schleife „Was, wenn ich versage?“
Umlenken: Ich fokussiere mich auf das, was jetzt konkret ansteht (z. B. Gespräch vorbereiten).
4. Metakognitive Dialoge in das Coaching integrieren
Statt sofort auf Lösungen oder Maßnahmen zu fokussieren, beginnt das Coaching mit einer Reflexion über das Denken über das Problem. Beispielhafte Fragen:
„Was glauben Sie, was passiert, wenn Sie nicht über das Problem nachdenken?“
„Wie hilfreich ist Ihr aktueller Denkstil für Ihr Ziel?“
„Wie könnten Sie denken, wenn Sie gelassener wären?“
Diese Fragen schaffen eine Distanz zu den Inhalten und ermöglichen neue Perspektiven.
Zusammenführung: Metakognition im integrativen Coaching
Im integrativen Coachingkonzept wirkt metakognitives Coaching wie ein Katalysator: Es verbessert die Wirksamkeit anderer Methoden, indem es die mentale Selbstregulation der Klienten stärkt. Einige Beispiele:
Systemische Fragen wirken tiefer, wenn die Klientin erkennt, wie sie gewohnheitsmäßig über Probleme denkt.
Embodiment-Übungen entfalten mehr Wirkung, wenn sie bewusst eingesetzt werden, um aus kognitiven Schleifen auszusteigen.
Zielarbeit wird realistischer, wenn Denkblockaden zuerst entlarvt werden.
Fazit: Denken über das Denken verändert das Handeln
Metakognitives Coaching ist kein Ersatz für andere Coachingmethoden – es ist eine Erweiterung, die die Wirksamkeit bestehender Ansätze vertieft. Die Integration in das integrative Coaching stärkt die Fähigkeit von Klient:innen, sich selbst zu verstehen, zu regulieren und eigenverantwortlich zu handeln.
Gerade in einer Welt voller Unsicherheiten, Entscheidungsdruck und mentaler Überforderung ist das metakognitive Bewusstsein eine Schlüsselkompetenz – für Führungskräfte, Selbstständige, Teams und Organisationen.
Quellen & Lesetipps:
Wells, A. (2009): Metacognitive Therapy for Anxiety and Depression.
Flavell, J.H. (1979): Metacognition and cognitive monitoring.
Grawe, K. (2004): Neuropsychotherapie. (für integrative Grundlagen)
Schmitz, B. & Perels, F. (2007): Selbstregulation und Metakognition im Coaching.





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