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🧩 Was ist ein Trauma-Fachberater?


Trauma Fachberatung
Trauma Fachberatung

Ein Trauma-Fachberater (oder Trauma-Berater/in) ist ein speziell ausgebildeter Experte, der Menschen nach belastenden Erfahrungen begleitet und unterstützt. Anders als ein psychotherapeutisches Angebot geht es hierbei nicht um Diagnosestellung oder tiefenpsychologische Behandlung, sondern um stabilisierende, traumasensible Beratung im Alltag.


🔍 Abgrenzung zur Psychotherapie


Merkmal

Trauma-Fachberatung

Psychotherapie

Ziel

Stabilisierung, Orientierung

Heilung, Bearbeitung psychischer Störungen

Methodik

Gespräch, Ressourcenarbeit

Tiefenpsychologie, Verhaltenstherapie etc.

Voraussetzung

Keine Diagnose notwendig

Psychische Erkrankung als Indikation

Zugänglichkeit

Keine Krankenkassenbindung

Über Kassen oder privat


Nervensystem unter Stress
Nervensystem unter Stress

🧠 Wirkprinzipien: Wie Trauma-Fachberatung hilft


Trauma-Fachberatung basiert auf neurobiologischen und psychologischen Erkenntnissen über das menschliche Stresssystem:


  • Polyvagal-Theorie (Stephen Porges): Verständnis für Kampf-, Flucht- und Erstarrungsmechanismen

  • Trauma-Integration nach Luise Reddemann: Arbeit mit dem "inneren sicheren Ort"

  • Ressourcenorientierung: Aktivierung von Kraftquellen und Bewältigungsstrategien

  • Psychoedukation: Aufklärung über Traumafolgen, z. B. Flashbacks oder Dissoziation



💡 Vorteile für Betroffene

  • Schnelle Hilfe in belastenden Lebenssituationen

  • Entlastende Gespräche ohne Stigmatisierung

  • Aktivierung eigener Ressourcen statt passiver Behandlung

  • Methoden, die auch außerhalb der Beratung genutzt werden können

  • Orientierung bei Fragen wie: „Brauche ich eine Therapie?“ oder „Wie kann ich stabil bleiben?“


📚 Fallbeispiele aus der Praxis


Beispiel 1: Sabine, 42 Jahre – belastet durch plötzlichen Unfalltod ihres Partners

  • Symptome: Schlaflosigkeit, Panikattacken, sozialer Rückzug

  • Interventionen:

  • Psychoedukation über Trauer und Trauma

  • Atemtechniken zur Selbstberuhigung

  • Erstellung eines „Stabilisierungsplans“ für Alltag und Beruf


Beispiel 2: Jamal, 16 Jahre – Fluchterfahrungen aus Syrien, Schulprobleme

  • Symptome: Dissoziation, Konzentrationsschwierigkeiten, aggressive Ausbrüche

  • Interventionen:

  • Imaginationsübungen („innerer sicherer Ort“)

  • Zeichnen als Ausdrucksmittel

  • Elternberatung zur traumasensiblen Kommunikation



Berstungsverlauf
Berstungsverlauf

🛠️ Mögliche Interventionen in der Trauma-Fachberatung


Methode

Ziel

Atem- und Körperübungen

Regulation des Nervensystems

Imaginative Techniken

Sicherheit und Selbstwirksamkeit

Tagebuch- und Ausdrucksarbeit

Strukturierung und Entlastung

Arbeit mit inneren Anteilen

Integration verschiedener Ich-Zustände

Gesprächsführung nach Rogers

Empathie und Wertschätzung



traumasensible Methoden
traumasensible Methoden

🧭 Für wen eignet sich Trauma-Fachberatung?


  • Menschen mit akuten Belastungssituationen (z. B. Trennung, Verlust, Stress)

  • Menschen mit Traumaerfahrung, die keine Therapie wollen/können

  • Angehörige von Trauma-Betroffenen

  • Mitarbeitende in sozialen und pädagogischen Berufen


🧑‍🎓 Qualifikation und Ethik


Trauma-Fachberater:innen absolvieren umfassende Fortbildungen (z. B. bei ZPTN, DeGPT-nahen Instituten). Sie arbeiten nach ethischen Grundsätzen:

  • Freiwilligkeit und Selbstbestimmung

  • Grenzen respektieren (keine Trauma-Rekonstruktion)

  • Schweigepflicht und Datenschutz


📎 Fazit: Trauma-Fachberatung – eine wertvolle Ergänzung

Trauma-Fachberatung ist kein Ersatz für Psychotherapie, aber eine kraftvolle, niedrigschwellige Möglichkeit zur Stabilisierung, Selbstermächtigung und Orientierung. Sie bietet Halt – oft genau dann, wenn klassisch-therapeutische Angebote noch nicht greifen.


Anhang:

näheres zur Polyvagal-Theorie


🧠 Grundprinzipien der Polyvagal-Theorie


Die Theorie basiert auf der Idee, dass unser Vagusnerv – der längste Hirnnerv – drei evolutionär unterschiedliche Reaktionssysteme steuert:


1. Ventraler Vaguskomplex (soziales Engagement)

  • Aktiv bei Sicherheit und Verbundenheit

  • Ermöglicht soziale Kommunikation, Mimik, Stimme, Blickkontakt

  • Fördert Ruhe, Verdauung, Empathie und Selbstregulation


2. Sympathikus (Kampf oder Flucht)

  • Aktiv bei Gefahr oder Bedrohung

  • Mobilisiert Energie für Aktion: Herzrasen, Muskelspannung, Wachsamkeit


3. Dorsaler Vaguskomplex (Erstarrung oder Shutdown)

  • Aktiv bei extremer Bedrohung oder Überforderung

  • Führt zu Rückzug, Dissoziation, Taubheit, Kollaps



Polyvagal-Theorie
Polyvagal-Theorie

🔍 Neurozeption – das unbewusste Sicherheitsradar


Ein zentrales Konzept der Theorie ist die Neurozeption: Unser Nervensystem scannt ständig (unbewusst!) die Umgebung auf Sicherheit oder Gefahr. Je nach Einschätzung wird einer der drei Zustände aktiviert – ohne dass wir es bewusst steuern.

Beispiel:


  • Ein freundliches Gesicht → ventraler Vagus → Entspannung

  • Ein lauter Streit → Sympathikus → Alarmbereitschaft

  • Eine traumatische Erinnerung → dorsaler Vagus → Rückzug


🧬 Evolutionäre Hierarchie


Die drei Systeme folgen einer evolutionären Reihenfolge:

  1. Ventraler Vagus – jüngstes System, typisch für Säugetiere, ermöglicht Bindung

  2. Sympathikus – älter, für Flucht/Kampf

  3. Dorsaler Vagus – ältestes System, für Erstarrung bei Lebensgefahr

Wenn das soziale System versagt, greift der Körper auf die älteren, primitiveren Reaktionen zurück.


🧘‍♀️ Anwendung in der Praxis


Die Polyvagal-Theorie wird in vielen Bereichen genutzt:


  • Traumatherapie: Verständnis für Dissoziation und Selbstregulation

  • Trauma-Fachberatung: Stabilisierung durch Aktivierung des ventralen Vagus

  • Pädagogik & Coaching: Förderung von Sicherheit und Beziehung

  • Selbsthilfe: Atemübungen, Musik, Rhythmus, Berührung zur Regulation



Neurozeption
Neurozeption

📎 Fazit


Die Polyvagal-Theorie bietet ein tiefes Verständnis dafür, warum wir in bestimmten Situationen so reagieren, wie wir reagieren – und wie wir durch gezielte Interventionen wieder in einen Zustand von Sicherheit und Verbundenheit gelangen können. Sie ist besonders hilfreich für Menschen mit Traumaerfahrung, hoher Sensibilität oder chronischem Stress.

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